Nichts wird mehr so sein wie vorher.
Abgesehen davon, dass es sich bei der neuerdings vielzitierten Erkenntnis um eine zeitlose handelt, eröffnet dieses neue globale Mantra verschiedene Interpretationsebenen. Einerseits die resignative: Unsere über Jahrzehnte erarbeitete vielfältige kulturelle Infrastruktur wird es so nicht mehr geben. So lautet die vorauseilend negative Konnotation vor allem jener, die im System – ob relevant oder nicht – ihren Platz eingenommen haben. Dieser entgegen steht die optimistische Lesart: Das Innehalten und zwangsverordnete Pausieren mag zu Kontemplation und Neujustierung eines Betriebs führen, der in den letzten Jahren seine Grenzen deutlich ab- und ausgeschritten und die einstmals nachhaltigen Aspekte dabei mehrheitlich eingebüßt hat.
In etwa so lautet die eher hoffnungsvolle Konnotation jener, die eher die äußeren Grenzposten des Systems bildeten und sich nun als dessen Abgewiesene fühlen müssen, weil mehr als eine Grundsicherung trotz langjähriger Ausbildung derzeit nicht drin ist. Dazwischen gibt es je nach persönlicher Befindlichkeit und intermediärer Position im sogenannten Kulturwirtschaftssektor Interpretationsabstufungen.
Weil Veränderung kulturimmanent ist, wollen wir dem konstruktiven Impuls folgen und uns vorstellen, welche entscheidenden Weggabelungen wir gerade jetzt gehen sollten, damit die jahrzehntelange kulturpolitische Arbeit von Generationen nicht umsonst gewesen sein wird, und unser Bemühen das Attribut nachhaltig wirklich verdient.
Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern dieser Welt, die gerade in halsbrecherischer Alternativlosigkeit die über Jahrzehnte erarbeitete kulturelle Infrastruktur abwickeln, können wir grundsätzlich auf eine einzigartig gewachsene, vielschichtige und qualitätsvolle kulturelle Infrastruktur blicken. Dieses Fundament erlaubte es in der Vergangenheit auch, sich unterschiedlichen groß angelegten kulturpolitischen Projekten und Reihen zu verschreiben anstatt die Leitlinien grundsätzlich anzupassen. So ist beispielsweise Kulturelle Bildung im umfassenden Sinn trotz all der Sonderprojekttöpfe von Kommunen, Ländern und Bund bis heute ein addendum, keine conditio sine qua non.
Das mittlerweile ein halbes Jahrhundert alte kulturpolitische Credo einer „Kultur für alle“ hat viele Fortschritte dort mit sich gebracht, wo es mit Haltung umgesetzt und partizipativ angepasst wurde. Spür- und sichtbar ist das leider noch zu selten. In den meisten Kulturveranstaltungen sieht es nicht nur im Parkett, sondern auch auf der Bühne immer noch deutlich anders aus als außerhalb, in der gesamten Stadtgesellschaft.
Daher wird es künftig noch mehr als bisher darum gehen, die diversen Errungenschaften der Vergangenheit zu bündeln, neue langfristige Verknüpfungen zu schaffen und sich konsequenter drängenden Veränderungsoptionen gegenüber zu öffnen oder besser: sie gemeinsam zu gestalten.
Wir alle werden in nächster Zeit wieder deutlicher in Verhandlungen über die Ressourcen und Konditionen unserer Arbeit gehen und dabei auch deren Zukunftsfähigkeit deutlicher beleuchten müssen.
Die Frage nach den Aufgaben, den Pflichten, aber auch den Möglichkeiten der öffentlich getragenen und geförderten Kulturbereiche werden sich deutlicher stellen. Zu schnell beispielsweise hat sich der erst 2007 offiziell in den Diskurs eingebrachte Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft nach ersten euphorischen Erweiterungsphantasien des Kulturbegriffs zu einem verwirrenden Minenfeld entwickelt, in dem Akteur:innen, Lobby, Politik und Verwaltung allzu oft mit definitorisch unterbelichtetem Übereifer in die dekonstruierende Falle des Neoliberalismus getreten sind.
Selbst kulturfernen Menschen ist in letzter Zeit verständlicher geworden, dass Kulturarbeit, Kunstschaffen und kreatives Wirken weder Hobby einiger Weniger noch in den meisten Fällen überbezahlte Tätigkeitsfelder exzentrischer Eliten sind. Sichtbar wurde vielmehr, auf welch vielschichtig prekärem Terrain sich trotz jahrelanger akademischer Ausbildung und selbst in erstklassigen Institutionen freischaffende Künstler:innen in den meisten Bereichen des Kulturlebens bewegen und damit nicht besser gestellt sind als viele andere Berufszweige, die sich schleichend seit Ende des vergangenen Jahrhunderts „liberalisiert“ haben. Was gerne als Freiheit bezeichnet wird, ist jedoch in steigendem Maße natürlicher Teil eines global zunehmend kommerzialisiert betrachteten Lebens geworden, das ebenfalls spätestens jetzt auf breiter Ebene als nicht wirklich zukunftsfähig erkannt wurde, wenn man es als öffentliche Hand mit Kunst und Kultur ernst meint und nachhaltig agieren möchte.
Daher sollte sich der beträchtliche Anteil Freischaffender im Kulturbetrieb künftig deutlicher nicht nur in der Honorierung, sondern auch in einer darüber hinaus gehenden Wertschätzung ausdrücken. Zum Beispiel sind verbindliche langfristige Kollaborationen auch jenseits von Festanstellung möglich.
Auch Internationalität muss sich nicht immer nur im außereuropäischen Kultur-Import-Export-Wesen zeigen. Einer der vielen Vorteile interkulturell geprägter und transkulturell ausgerichteter Städte wie Stuttgart oder München ist es, dass die globalen Kompetenzen schon mit dem ÖPNV zu erlangen sind. Und die Umwelt schont das zumal.
Vielfalt auch im kulturellen Leben zu gestalten kann so einfach sein und „Kultur mit allen“ sollte kein politisch oktroyierter Auftrag, sondern die selbstverständliche Folge unserer stadtgesellschaftlichen Entwicklungen sein.
Doch dass sich diese Entwicklungen nicht über Nacht ereignen, ist ebenso klar wie ernüchternd. Und es bedarf nicht nur Methoden, sondern auch Instrumente, mit denen diese notwendigen Schritte entwickelt werden.
Hier kann der Gedanke von Laboratorien ansetzen.
Bei der Umsetzung notwendiger Modifikationen oder Transformationen können geschützte Versuchsanordnungen wie „Labs“ sicherlich dienlich sein. Denn fraglos bieten sie die Möglichkeiten, Visionen wirklich und zunächst ohne genuinen Erfolgsdruck gemeinsam zu erarbeiten. Im besten Fall entstehen bei solchen Projekten auch Konstellationen und Kooperativen mit längerfristigem Charakter.
Die kulturpolitische Beweiskraft jedoch müssen dann doch die im administrativen Alltag erkämpften Ergebnisse erbringen. Dies erfordert einen langen Atem und ein hohes Motivationspotential bei allen Beteiligten.
Denn wirkliche Erneuerung entsteht meiner Erfahrung nach dort, wo tatsächlich alle Beteiligten (und auch bis dato Unbeteiligten) – von der Politik über die Verwaltung und Leitungen über die Programmmachenden und die künstlerisch Agierenden bis hin zu den vielschichtigen Zielgruppengeflechten – sich gemeinsam auf neue Wege begeben möchten – oder die alten Wege wirklich neu beschreiten.
Diese Wege sind sehr oft zunächst teilweise unattraktiv, meist mühsam und immer lang. Will man sie gemeinsam gehen, dann empfiehlt sich ein kooperatives Vorgehen von Anfang an.
Rezepte für das, was unzureichend als „Öffnung“ oder „Partizipation“ bezeichnet wird, sind in den letzten Jahren ausgiebig erarbeitet und in zahllosen Projekten vor allem in Teilbereichen ausprobiert worden. Aber das sind in Relation zum Erforderlichen perspektivisch nur erste kleine Schritte, denen neue und größere folgen müssen, die direkt in die Strukturen hineinwirken.
Hier stehen wir kulturpolitisch vielleicht tatsächlich am Beginn einer neuen Epoche. Denn Diversität und Digitalität entfalten sich erst jetzt in ihren Folgegenerationen, die über postnatale Experimentierphasen hinaus reichen und deshalb allmählich wirkliche Auswirkungen zeitigen können. Die zweite und dritte Generation jener vielfältigen Zielgruppen, über die kulturpolitisch viele Jahrzehnte im pseudo-aktivistischen Duktus gesprochen wurde, werden nun ihre Kultur authentisch mitgestalten statt sie nur gestaltet zu bekommen. Und auch die Digital Natives haben den Arbeitsmarkt mittlerweile erreicht und können somit aktiv und konkret gestalten, worüber die sich dem Rentenalter zuneigenden Akteur:innen aus Mangel an Kenntnis, technischer Infrastruktur und wirklicher Neugier viel zu lange nur theoretisch angenähert haben.
Die Pandemie hat an vielen Stellen gezeigt, wo die Potentiale des Digitalen liegen. Und indem sie ebenso verdeutlicht hat, dass Digitalisierung nicht nur eine Zauberformel, sondern auch in manchen Bereichen eine wirkungsästhetische Sackgasse sein kann, waren die Shutdowns auch vielerorts DigiLabs 2.0.
Die bisherigen Verläufe, gerade auch des sogenannten langsamen Wiederhochfahrens der Systeme, lassen die unterschiedlichen Zugänge zur Kultur in einer ernüchternden Deutlichkeit erkennen. Und zugleich auch die zu bearbeitenden Aufgabenfelder der Teilhabe, die sich nicht weiter auf marginale und gerne auch unterfinanzierte Kultursektoren mit als problematisch konnotierten Akteuren umleiten lassen darf.
Kultur für alle und mit allen muss ins Zentrum des öffentlichen Sektors gebracht werden. Als dauerhafter Beweis, nicht als permanente Behauptung.
Am deutlichsten lassen sich konkrete Beispiele am grundsätzlich schwerfälligen, weil personalintensiven Theaterapparat betrachten, der zudem meist den beträchtlichsten Anteil öffentlicher Kulturmittel ausmacht. Dort entstehen seit einigen Jahren – nicht zuletzt aufgrund von Legitimationsdruck und kulturpolitischer Aufträge – solche Tendenzen, die sehr genau betrachtet werden sollten. Denn an den Schwierigkeiten, die den progressiven Beispielen im Alltag widerfahren, kann man die Komplexität der Gesamtherausforderung – selbst als Außenstehende:r – erahnen.
Das „Turbo-Lab“ Münchner Kammerspiele unter ihrem Intendanten Matthias Lilienthal mag hier ein vielbeachtetes Beispiel abgeben. Mit Dieter Dorns Ablösung als Intendant durch Frank Baumbauer 2001 erlebte das Münchner Stadttheater seit Langem erste Impulse einer programmatischen Öffnung auf neue Ästhetiken und Formate, die sich beispielsweise mit den Stadtteilprojekten wie „Bunny Hill“ erstmals auch außerhalb des Stammhauses abspielten. Die zunehmende Attraktivität und auch überregionale und internationale Beachtung erhielt mit der 2010 darauf folgenden Intendanz von Johan Simons eine gesteigerte Interdependenz von Koproduktion, Partnerschaft und Internationalität, insbesondere in die Benelux-Regionen. Mit Matthias Lilienthal wurde der kulturpolitisch bewusst eingeschlagene Kurs seit 2015 noch konsequenter erweitert um die Arbeitsfelder Freie Szene und Internationaler Austausch. Eine deutlich politischere und diverse Ausprägung – also nicht nur in Bezug auf Alter, sondern ebenso auf Queerness, Inter- und Transkulturalität und Neu-Bürgerschaft – bei Produzierenden wie Rezipierenden waren erfreuliche und erfreulich anhaltende Folgeerscheinungen. Dieser naturgemäß erst nach drei Jahren auf breiter Ebene erkannte Erfolg hat ebenso erwartungsgemäß zunächst Irritationen bei Stammpublikum wie auch bei Teilen der Kommunalpolitik erzeugt, die im konkreten Fall zur Nichtverlängerung dieses konsequenten Kurses führten. Dies ist aus vielerlei Gründen fatal, richtig nachhaltig wird es sich auf die Freie Szene auswirken, für deren lokale Vertretungen die Kammerspiele – nach eigener Aussage bis zur Eröffnung eines eigenen Produktionshauses in Jutier- und Tonnenhalle im sogenannten Kreativquartier – einen Aufmerksamkeitsbeschleuniger und eine Produktionspotenzierung darstellten. Allerdings hätte der Großteil der Freien Szene Münchens aufmerksamkeitsökonomisch wie teils auch qualitativ schwerlich mit den überregionalen und internationalen Gruppen mithalten können, wenn durch die stetige gemeinsam von Kulturreferat und Akteuren betriebene Fortschreibung des Fördermodells, die Maßnahmen wie Kooperation und (auch internationalen) Austausch befördert hatte, nicht bereits vorher schon Standards gesetzt und Netzwerke gegründet worden wären.
Was also von außen betrachtet manchmal wie eine anfangs holpernde und mitunter von den lokalen Medien als Scheitern vermittelte fünfjährige Episode wirkte, ist letztlich die ebenso konsequent wie langjährig betriebene kulturpolitische Entwicklung des performativen Bereiches in München, der mit den deutlich experimentell ausgerichteten Festivals wie Spielart, DANCE und der Münchener Biennale für neues Musiktheater ja bereits erweiterte Sehgewohnheiten trainiert hatte. Eine interessierte und nicht nur in Bezug auf aktuelle Diskurse versierte theaterwissenschaftliche Abteilung der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität hat diesen Weg seit vielen Jahren konstruktiv wissenschaftlich begleitet und mit einem Fortbildungsangebot für professionelle Theaterschaffende auch überregional orientierte Kompetenzerweiterungsmodule geschaffen.
Dieses Beispiel kann eine Blaupause abgeben für kulturpolitisch nachhaltige und wirkungsvolle Weiterentwicklungen des kulturellen Sektors bzw. einzelner Sektoren. Sie ist auch für andere Sparten durchaus anwendbar, insbesondere bei der Interaktion von lokaler Kompetenz und überregional-internationalen Akteuren.
Wobei gerade für den Lab-Gedanken nicht unbedingt ein Masterplan nötig ist. Entscheidender ist die offene und grundsätzlich kollaborative Haltung aller Beteiligten – und ein wenig vielleicht auch der Kairos. So konnte ausgerechnet die Pandemie beispielsweise in Stuttgart genutzt werden, um interdisziplinäre Kulturförderung und vernetzende Kulturentwicklung in einer Art Lab-Situation ergebnisoffen neu zu befragen.
Da hier bereits seit einigen Jahren unter anderem mit dem Instrument des „Entwicklungstreibers“ die Möglichkeit besteht, institutionell geförderte Kultureinrichtungen bei ihrer Weiterentwicklung finanziell wie professionell zu unterstützen, hat sich das Kulturamt bereits als zukunftsweisender mitgestaltender Partner im kulturellen Leben der Stadt etabliert. Durch die kulturbewusste zusätzliche Mittelbereitstellung für Corona-Nothilfen durch den Gemeinderat der Landeshauptstadt konnten multidisziplinär Stipendien ausgeschrieben werden, die den durch eine Jury divers ausgewählten freien Kulturschaffenden die Weiterarbeit an ihren Projekten ohne Produktions- und Präsentationsdruck ermöglichen sollte. Gleichzeitig erschien es wichtig, die Stipendien nicht als zweckfreie Nothilfemaßnahme im dekontextualisierten Raum auszuschreiben, sondern jenseits des wertschätzenden Aspekts der Corona-Hilfen damit auch einen gegenseitigen Mehrwert zu erzeugen. Verschiedene mit den Stipendien verbundene Austauschformate haben neben der gegenseitigen Kenntnisnahme jeweiliger individueller Projektvorhaben zur Identifizierung und Vertiefung gemeinsamer Herausforderungen geführt. Hierzu zählen Themen wie beispielsweise die künftige Arbeit im öffentlichen Raum, die unterschiedlichen Arten institutioneller und solidarischer Kooperationen, die vielfältigen Formen der Community Arts, die Fragen an eine zeitgemäße Aus- und Fortbildung, an denen weiterhin gemeinsam mit der Kulturverwaltung gearbeitet werden kann und soll.
Durch diese Verfahrensweise konnten nicht nur interdisziplinäre Arbeitsfelder für die Kunstproduzierenden selbst entwickelt werden, sondern – gewissermaßen als Kollateral-Ereignis – auch Handlungspotentiale für kollaborative kulturelle Stadtentwicklung. Das handlungszielfreie Arbeiten ohne Produktionsdruck hat somit auch Optionen eröffnet für ein künftiges Miteinander in Bezug auf Sichtbarmachung der Potentiale für Prozesse der Stadtverwaltung oder auf Weiterentwicklung von Strategien in der Kulturförderung.
Dieser so entstandene und erweiterbare kreative Kreis kann zudem einen Expert:innen- und Spezialist:innen-Pool für künftige (verwaltungsseitig auch ämterübergreifende) Herausforderungen bilden, denen sich eine Stadtgesellschaft stellen muss und an deren Veränderungen Kunst- und Kulturschaffende in der Regel auch Teilhabe beanspruchen. Mit dieser Konstellation zum richtigen Zeitpunkt ist eine zentrale Möglichkeit zum Transfer hin zu einer noch deutlicher angewandten Kunst und dadurch auch wirkmächtiger Labs geschaffen worden.
Meiner Erfahrung nach steht und fällt der Erfolg solcher Labs mit den richtigen Konstellationen, klaren Kompetenzverteilungen und der Vermeidung falscher Versprechungen bzw. einem ehrlichen Erwartungsmanagement.
Labs, wenn sie über das Stadium des fröhlich-naiven Zweckoptimismus hinausgelangen und langfristig auswirken wollen, sollten ein klares Ziel haben – das freilich auch verfehlt, wenn auch nicht aus den Augen verloren werden darf. Hierbei muss auch klar sein, welche sinnvollen Möglichkeitsebenen der Verwaltung, welche den kulturellen Akteuren und welche der Wissenschaft zukommen. Dabei sollte die Verwaltung auf Hybris verzichten. Progressive Kulturverwaltungen haben ihre Stärke in der hohen fachlichen Kompetenz und der organisch wirkenden Lernfähigkeit ihres Personals, das dadurch Ansprechpartnerschaft auf Augenhöhe und Kooperationsfähigkeit schafft. Dieses so erwirkte Kollaborationspotenzial wiederum schafft die Basis für kollektiv ausgerichtete kulturpolitische Gestaltungsräume, deren Spielregeln klar und deutlich kommuniziert sein sollten.
Denn Verwaltung, die sich dauerhaft wissenschaftlich forschend gibt, ohne entsprechende Ressourcen zu besitzen, droht ihre Kernkompetenz im wahrsten Sinne zu verspielen. Und Forschung, die ihr ureigenes Terrain der Unabhängigkeit verlässt, begibt sich in den Verhandlungsraum der Kulturpolitik, deren Parameter – zumindest dort, wo sie Wirkung entfaltet – unerbittlicher und effizienz-fordernder sind.
Wenn die einen kulturpolitisch und die anderen wissenschaftlich weiterhin ernst genommen werden wollen, sollten sie den Schutzraum des „anything goes“ verlassen und den Wirkungsraum des gemeinsamen langen Weges betreten.
Denn anders als in den naturwissenschaftlichen Laboratorien, die Erfolge im Trial-and-Error-Verfahren generieren können, funktioniert eine auf verhältnismäßige Wirkungsbreite angelegte Kulturarbeit eben nur mit den Menschen dauerhaft im Betrieb selbst. Daher sollte die wissenschaftliche Forschungskompetenz längerfristig mit der Akteurs- und Verwaltungskompetenz kooperieren, damit auch die profunde Evaluation stets mitlaufen kann.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt auf der Erfolgsskala von Labs ist die Akzeptanz. Die Stärken kultureller Akteure – individuell wie institutionell – werden künftig noch stärker von Akzeptanz (nicht zu verwechseln mit Platzausnutzungsquotienten) bestimmt werden. Wenn Feuilletons perspektivisch nicht mehr die Gradmesser für künstlerische Evaluation darstellen, sind neue Parameter erforderlich, die nicht durch nackte Zahlen repräsentiert werden, sondern durch den Grad an Ansprechbarkeit, Offenheit und vielleicht auch durch die Beteiligungsbereitschaft der Einrichtungen. Dabei sollte die maximale Offenheit nicht motiviert sein von Publikumssteigerungsabsichten, sondern von authentischem Interesse an einem breiten Klient:innenkreis. Messen lassen müssen wird sich das u.a. daran, ob die wirklich inklusiven Einrichtungen auch die Produktionsebenen vielschichtig besetzt haben.
Dann muss die Systemrelevanz nicht nur behauptet, dann kann sie alltäglich bewiesen werden. Dann brauchen wir auch keine „neue Neue Kulturpolitik“, wie es sich einige Lobbyisten wünschen. Dann brauchen wir eigentlich nicht einmal neue Wege. Dann müssen wir die begonnenen nur endlich einmal konsequent und bis zum Ende beschreiten. Und zwar alle. Mit Haltung und Ausdauer. Digital und analog. Aber vor allem: Gemeinsam.
Und wer jetzt meint, er tue das doch bereits schon, der hat noch nicht ermessen, wie lange dieser Weg wirklich ist.