Bei der Lab-Station „Fausts Studierzimmer“ rückte die aktuelle Münchner Soziokultur in den Vordergrund. In der kleinsten Gruppe der ersten Phase des Cultural Policy Labs stand der experimentelle Diskurs an erster Stelle. Schon bei der Kennenlernrunde offenbarten die ersten Diskussionsteilnehmer*innen ihre Ansprüche und Ideen für die Münchner Soziokultur, auch die ersten gemeinsamen Interessen traten hier bereits zum Vorschein. Dabei sollte zuerst eine Begriffsklärung stattfinden. Im Rahmen eines Impulsvortrags einigten sich die Teilnehmer auf folgende gemeinsame Grundlage:
Grundsätzlich lässt sich über das Thema Soziokultur, speziell in Bezug auf Stadtteiltheater oder Stadtteilkulturhäuser zusammenfassend sagen, dass der Diskurs nicht neu ist, aber aktuell und relevant bleibt. Unter dem Thema Soziokultur versteht man die Verknüpfung von gesellschaftlichem Leben und Kunst und Kultur, dabei werden Themen inklusiv, dezentral und gesamtgesellschaftlich verhandelt. Unter Einrichtungen, die sich vorrangig als Beispiel für gelebte Soziokultur sehen, fallen Stadtteilkulturzentren oder auch Stadtbibliotheken (wie die Münchner Stadtbibliothek). Als besonders wichtig gelten diese Zentren allgemein, da sie Bildung und Kunst nicht nur leben, sondern auch verknüpfen und daher ein niedrigschwelliges Bildungs- und Kulturangebot schaffen können, das für jeden offen sein soll – ohne allerdings dabei die Kunst oder die Bildung herabzusetzen oder auf ein rein pädagogisches Angebot abzuzielen. Durch konstanten Diskurs kann dies eine Gesellschaft nachhaltig und langfristig zufriedener und inklusiver machen. Eines der noch immer aktuellen Ziele der Soziokultur, das sich auch in den Kontext des Cultural Policy Labs einfügt, ist, dass ein Dialog auf institutioneller Ebene geschaffen werden soll, von dem alle Beteiligten und im besten Falle die ganze Bevölkerung profitieren können.
Kein Raum für die Kunst:
Ein schwerwiegendes und tiefgreifendes Problem stellt dabei das Fehlen adäquater Räumlichkeiten dar. Immer wieder wird in der Runde kritisiert, dass es insbesondere in München nicht genügen Platz gebe, damit ein/e Jede*r künstlerisch wirken und sich persönlich ausleben könne. Künstler*innen würden durch Gentrifizierung aus ihren Vierteln verdrängt, könnten sich durch hohe Mieten und mangelndes Raumangebot, z.B. für Ateliers, auch an keinem neuen, anderen Ort innerhalb der Stadt ansiedeln. Auch Jugendkulturen würden durch die Raumknappheit verdrängt, was zu großem Frust führe. Als ein weiteres Problem beschreibt ein Teil der Diskussionsteilnehmer*innen, dass durch die fehlenden Räume die Kunst- und Kulturszene an den Rand gedrängt werde, sowohl lokal als auch gesellschaftlich gesehen.
Auf der anderen Seite gäbe es, wie Katrin Schuster, Referentin des Direktors der Münchner Stadtbibliothek beteuerte, städtische Räume, die für Kunst genutzt werden könnten. Diese wären aber durch fehlenden Diskurs unter den verschiedenen Interessengruppen nicht vollständig ausgelastet. Ein weiteres Problem, das im Laufe des Gesprächs aufgeworfen wurde: teilweise lägen Gelder brach, welche für Kunst und Kultur genutzt werden könnten, nur aufgrund der Tatsache, dass die betreffenden Akteure nicht darüber Bescheid wüssten und daher nicht darauf zurückgreifen könnten. Ebenso sei der Dialog mit Firmen, die über Räumlichkeiten verfügen, welche gegebenenfalls außerhalb der Geschäftszeiten nutzbar wären, nur sehr gering. Als griffiges Beispiel könnten abends ungenutzte Besprechungsräume zu temporären Probenorten für Theatergruppen umgewidmet werden o.ä. Aufgrund des mangelnden Dialogs fänden derartige Kooperationen aber kaum als Idee in die Köpfe der Akteur*innen.
Durch den Diskurs an der Lab-Station konnten neue Kontakte zwischen den verschiedenen Interessengruppen und Institutionen, für künftige Zusammenarbeit geknüpft werden.
Der Wunsch für die Zukunft:
Zum experimentellen Abschluss des Labs formulierten alle Teilnehmer*innen ihre persönlichen, aber auch politischen und gesellschaftlichen Wünsche für die soziokulturelle Weiterentwicklung der Stadt München. Beispielhaft möchte ich einige an dieser Stelle aufführen. Der Wunsch nach Stadtteilkulturhäusern, die im Hinblick auf die Lärmverordnungen und des leeren Platzes mehr Raum für freie künstlerische Optionen bieten, wurden immer wieder angesprochen. Ebenso wurde die Idee der gesetzlich geregelten räumlichen Zwischennutzung für leerstehende Gebäude, wie sie bereits in Österreich stattfindet, diskutiert.
Eines der größten angesprochenen Bedürfnisse war allerdings der Wunsch, als Kunstschaffende*r nicht als Störfaktor wahrgenommen zu werden, sondern als produktiver und wichtiger Teil der Gesellschaft. Und aus der persönlichen Sicht des Cultural Policy Labs kann der Lab-Gedanke hier eindeutig zu der Entschärfung dieses Problems beitragen, da alle Parteien auf Augenhöhe diskutieren konnten und durch die „safe-space“ – Atmosphäre, von einem gegenseitigen Angriff abgesehen haben. Stattdessen wurden ihre gegenseitigen Anknüpfungspunkte so stark in den Fokus gerückt, dass alle Beteiligten mit positiver Stimmung die Diskussion beenden konnten. Als abschließend besonders fruchtbar zu bewerten ist die Vernetzung von Akteur*innen, die vorher nicht produktiv zusammenarbeiten konnten, da sie sich überhaupt nicht kannten und auch die Möglichkeiten und Einschränkungen der anderen in dieser Form bislang nicht wahrgenommen hatten.